Seit kurzem können Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse B unter bestimmten Voraussetzungen die Berechtigung zum Führen von Leichtkrafträdern im Inland erwerben. Die Berechtigung wird durch den Eintrag der Schlüsselzahl (SZ) 196 im Führerschein dokumentiert. Die Neuerung hat zu zahlreichen Nachfragen geführt. Das folgende zu den häufigsten Fragen:
Welche Fahrzeuge dürfen Inhaber von SZ 196 führen?
Die Berechtigung umfasst ausschließlich zweirädrige Leichtkrafträder der Klasse A1 mit Verbrennungs- oder Elektromotor mit einer Motorleistung von maximal 11 kW und einem Verhältnis von Leistung zu Leermasse von nicht mehr als 0,1 kW/kg. Bei Verbrennungsmotoren darf der Hubraum nicht größer als 125 cm³ sein.
Nicht erlaubt sind hingegen dreirädrige Leichtkraftfahrzeuge der Klasse A1 mit symmetrisch angeordneten Rädern (Trikes).
Wichtig ist außerdem, dass die Berechtigung nur im Inland gilt und somit Fahrten ins Ausland nicht zulässig sind.
Was setzt der Eintrag der SZ 196 voraus?
Bewerber müssen mindestens
– 25 Jahre alt sein
– die Fahrerlaubnis der Klasse B ohne Unterbrechung seit mindestens 5 Jahren besitzen.
Der Antrag muss bei der für den Wohnort des Bewerbers zuständigen Fahrerlaubnisbehörde gestellt werden. Dazu müssen
– ein biometrisches Passbild und
– die Teilnahmebescheinigung einer Fahrschule über die erfolgreiche Teilnahme an einer Fahrerschulung gemäß Anlage 7b FeV vorgelegt werden.
Da es sich nicht um eine Erweiterung, sondern lediglich um die „Ausweitung“ einer vorhandenen Fahrerlaubnis handelt, ist weder ein Sehtest noch eine Erste-Hilfe-Bescheinigung erforderlich.
Darf die Schulung schon vor dem 25. Geburtstag absolviert werden?
Der Zeitraum zwischen dem Abschluss der Fahrerschulung und der Eintragung der SZ 196 darf ein Jahr nicht überschreiten. Somit kann man sich schon mit 24 Jahren zur Schulung anmelden.
Wer darf die Schulung durchführen?
Die Schulung darf nur von Fahrschulen mit der Fahrschulerlaubnis der Klasse A angeboten werden. Sie muss von einem Fahrlehrer, der im Besitz der Fahrlehrerlaubnis der Klasse A ist, durchgeführt werden.
Welche Fahrzeuge müssen für die Schulung verwendet werden?
Es müssen zweirädrige Krafträder der Klasse A1 verwendet werden, die der Anlage 7 Nr. 2.2.3 der Fahrerlaubnis-Verordnung für Ausbildungs- und Prüfungsfahrzeuge der Klasse A1 entsprechen:
a. Motorleistung bis zu 11 kW,
b. Verhältnis von Leistung zu Leermasse von nicht mehr als 0,1 kW/kg,
c. durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit mindestens 90 km/h,
d. mit Verbrennungsmotor; Hubraum mindestens 120 cm³, wobei eine Unterschreitung des Hubraumes um 5 cm³ zulässig ist,
e. mit Elektromotor: Verhältnis Leistung/Leermasse mindestens 0,08 kW/kg.
Anmerkung: Inzwischen hat sich gezeigt, dass die Vorgabe 0,08 kW/kg ein Hemmnis für die Nutzung von modernen Elektrorollern für diese Schulung ist. Problematisch ist dabei die aus der 3. EU-Richtlinie stammende Regelung der Anlage 7 FeV, die für zur Fahrausbildung und Fahrprüfung sowie zur B 196-Schulung eingesetzte Leichtkrafträder ein Leistungsgewicht von mindestens 0,08 kW/kg verlangt. Offenbar gibt es kaum Elektroroller, die diese Vorgaben erfüllen.
Kann für die Schulung ein Automatikfahrzeug benutzt werden?
Ja. Auch wenn die Schulung auf einem Automatikfahrzeug durchgeführt wurde, wird die Fahrberechtigung nicht auf Fahrzeuge mit automatischem Getriebe beschränkt.
Welchen Mindestumfang und welche Inhalte umfasst die vorgeschriebene praktische Schulung?
Es müssen mindestens 5 Unterrichtseinheiten zu jeweils 90 Minuten fahrpraktischer Schulung für Motorradfahrer absolviert werden. Die Schulung muss als Einzelunterricht durchgeführt werden. Gruppenunterricht ist nicht erlaubt. Die Schulung kann teilweise im „Schonraum“ (=Parkplatz, Übungsplatz, Industriegebiet o. Ä.) stattfinden und muss ansonsten im Realverkehr erfolgen. Dabei müssen u.a. folgende Inhalte geübt werden (Auszug):
a. Übungen zur Fahrzeugbeherrschung
– Fahren im instabilen Bereich (Schrittgeschwindigkeit)
– Kreisfahrt und Slalom
– Brems- und Ausweichübungen
– Gefahrbremsung
b. Fahrten im Realverkehr
– Überlandfahrt
– Autobahnen oder Schnellstraßen
Gibt es eine konkrete Vorgabe, wie die praktischen Übungsstunden zeitlich und inhaltlich zu strukturieren sind?
Nein, das liegt im Ermessen des Fahrlehrers. In der Begründung der 14. Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung findet man dazu folgende Textpassage:
Inhalte der Schulung sind im Wesentlichen die für die Klasse A1 vorgeschriebenen Grundfahraufgaben sowie Fahrten auf Bundes- oder Landstraßen und Autobahnen. Die Schulung soll die Kompetenzen vermitteln, die benötigt werden, um ein Kraftrad der Klasse A1 sicher führen zu können. Die Übungen können sowohl außerhalb des öffentlichen Straßenraums als auch auf öffentlichen Straßen durchgeführt werden. Auf weitere inhaltliche Vorgaben, wie z.B. Ort und Zeitumfang wurde verzichtet, um Fahrlehrern weitgehende pädagogische Freiheit zu geben und den individuellen Bedürfnissen der Bewerber Rechnung tragen zu können.
Muss die Fahrschule in jedem Fall nach 5 Doppelstunden praktischer Schulung die Teilnahmebescheinigung ausstellen?
Nein. Die Fahrschule darf die Schulung erst dann abschließen und die Bescheinigung über die erfolgreiche Teilnahme an der Fahrerschulung erst dann ausstellen, wenn der Teilnehmer während der fahrpraktischen Übungen seine Fähigkeiten zum Führen von Krafträdern der Klasse A1 erfolgreich unter Beweis gestellt hat.
Wichtig:
Kommt der Fahrlehrer zum Ergebnis, dass die Teilnahme an der praktischen Schulung nach Durchlaufen des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestumfanges von 5 Doppelstunden á 90 min. nicht erfolgreich war, weil der Bewerber seine Fähigkeiten zum Führen von Krafträdern der Klasse A1 nicht unter Beweis gestellt hat, muss die Fahrschule die Ausgabe der Teilnahmebescheinigung verweigern. In diesem Fall müssen weitere Übungseinheiten durchgeführt werden.
Quelle: FLVBW, FahrSchulPraxis Ausgabe Februar 2020, Seite 82